Behind Words
Deutschland | 2005 | Dokumentarfilm | 90 min | DVCPro50 16:9
Flucht, Vertreibung und brutale ethnische Entmischung mitten im Europa des ausgehenden 20. Jahrhunderts? Das war zu Beginn der 90er Jahre noch unvorstellbar. Dann der Schock. Ein Staat zerfällt. Krieg in Jugoslawien. Hunderttausende Menschen sind dort, wo sie seit Generationen gelebt haben nicht mehr sicher, müssen ihre Heimat verlassen, werden wegen ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit vertrieben, viele von ihnen getötet. Mangelnde Toleranz und fehlendes Verständnis für das vermeintlich Fremde, ethnischer Hass, unbarmherzige Entwurzelung, und verzweifelte Heimatlosigkeit sind aber durch den Krieg in Jugoslawien nur in das öffentliche Bewusstsein zurückgekehrt. Die Vorläufer und Ursachen reichen weit in die europäische Vergangenheit.
Anfang des 20. Jahrhunderts: Der Nationalismus hält Einzug in Ost- und Südosteuropa, die bunt gemischten Vielvölker-Imperien – das Osmanische Reich, Österreich-Ungarn, das Zarenreich – gehen ihrem Untergang entgegen. Das neue Homogenitätspostulat lautet: „Jeder ethnischen und nationalen Gruppe ein eigener Staat! Kein Staat mit Minderheiten!“ Politische und ethnische Grenzen werden rücksichtslos neu gezogen. Die ersten beiden Balkan-Kriege 1912/13: Bulgarien, Griechenland und Serbien einerseits und das Osmanische Reich andererseits kämpfen um Mazedonien. Die Gewinner – Bulgarien, Griechenland, Serbien – können sich nicht über die Aufteilung der Beute einigen. Wieder Krieg – und der Auftakt zur Geschichte ethnischer Säuberungen. Die Blut- und Gewaltspur zieht sich weiter über den griechisch-türkischen Bevölkerungsaustausch in Folge des Abkommens von Lausanne 1923, die Umsiedlungen, Vertreibungen und Massenmorde des Zweiten Weltkriegs bis hin zu den Ereignissen der 90er Jahre im ehemaligen Jugoslawien.
Drei Regionen, drei Zeitabschnitte, dreimal der Traum von Heimat und Heimat ohne Raum. Das will dieser Film zeigen. Still und vielstimmig, mit ruhiger Kamera und bewegenden Erinnerungen. Zwangsweise Verschobene, Herausgerissene, Ausgelöschte, Heimatlose, Fremde im „eigenen“ Land – Opfer nationalistischer, rassistischer Gewalt hat es immer wieder gegeben und gibt es heute. Zwangsmigration ist zugleich andauernder und wiederkehrender Bestandteil der europäischen Geschichte.
Regie: John Burgan
Buch: John Burgan
Kamera: Rainer M. Schulz
Ton: Klaus Peter Schmitt
Redaktion: Beate Schönefeldt
Assistenz: Nina Vocilka
Produktion: Andrea Ufer
Koproduktion: MDR
Sender: MDR
Förderer: Medienboard Berlin-Brandenburg, Bundeskulturstiftung, Stiftung Mercator
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