Carne de Perro (Hundefleisch)
ein Film von Fernando Guzzoni
Chile/Deutschland/Frankreich | 2012 | Spielfilm| 100 min
Carne de Perro (Hundefleisch) zeigt die Einsamkeit eines Mannes und den Verlust seines Wertesystems. Der Film beobachtet ohne moralische Vorurteile einen Menschen, der von seiner komplexen Vergangenheit eingeholt wird. Wie eine Figur des kollektiven Unbewußten übernimmt die Hauptfigur Alejandro (50), ein Ex-Folterer des Pinochet-Regimes, vor dem Hintergrund seiner Biografie stellvertretend den quälenden Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Der Film begleitet Alejandro, der als Taxifahrer arbeitet, in einem sehr schwierigen Lebensmoment. Er ist ein einsamer und unberechenbarer Mann, der das enorme Gewicht seiner Vergangenheit als Folterer mit sich herumträgt. Als sein Taxi kaputtgeht, gerät der mühsam aufrechterhaltene Rhythmus seines Leben vollends aus dem Fugen. Die Vergangenheit ist zu seinem größten Feind geworden, und wir sehen, wie er zunehmend zur Geisel seiner eigenen Geschichte wird. Auf der Suche nach einer neuen Identität verliert sich Alejandro zwischen Gespenstern früherer Zeiten und dem besessenen Versuch, mit seiner Lage fertig zu werden.
Die Geschichte erzählt von einem Mann, der begonnen hat, sich aufzulösen, dessen Blick auf die Realität zunehmend verstörter wird, der von seiner eigenen Vergangenheit kannibalisiert wird. Verzweifelt versucht er, sein Leben neu zu interpretieren und eine neue Richtung für seine Existenz zu finden. Nach einem emotionalen und körperlichen Zusammenbruch flüchtet er sich in die Gemeinschaft einer seltsamen, evangelikalen Sekte, in der seine Bedürfnisse nach Nähe und Hierarchie befriedigt werden. Aber ein Mensch wie Alejandro bleibt ein gesellschaftliches „Restrisiko“ – unberechenbar, wie ein schlafender Vulkan.
Die Geschehnisse von damals sind lange her. Sie sind uns inzwischen fast fremd geworden. Trotzdem haben wir das Bedürfnis, mit Menschen wie Alejandro über die Vergangenheit zu reden. Aber in Chile ist die Konjunktur für solche Gespräche längst vorbei. So wie Alejandro leben dort heute viele – zerbrochene Menschen, die an ihren Konflikten leiden – auch auf der Täterseite. Carne de Perro nähert sich dieser sonderbaren Art von Randfiguren der chilenischen Gesellschaft, die in Zeiten von Wirtschaftwachstum und dem Selbstverständnis einer modernen Nation gerne ignoriert werden. Die Unterhaltungsindustrie hat uns an die bequemen Geschichten von Gewinnern gewöhnt. Dieser Film möchte einen ganz und gar unsympathischen Archetypen der chilenischen Bewußtseinslandschaft zeigen, den die meisten heute lieber ganz schnell vergessen wollen.
Buch+Regie: Fernando Guzzoni
Kamera: Barbara Alvarez
Schnitt: Javier Estévez
Produktion: Ceneca, Chile; Hanfgarn & Ufer, Deutschland; JBA, Frankreich
Förderer: Audiovisual Fund, Chile; Festival Biarritz; Foundation GAN; World Cinema Fund
Alejandro: Alejandro Goic
Laura: Amparo Noguera
Pastor Evangélico: Alfredo Castro
Gabriela: María Gracia Omegna
Raúl: Sergio Hernández
1st Prize New Directors, San Sebastian Filmfestival (Spanien), 2012
Best First Feature, Havana Filmfestival (Kuba), 2012
Movie City Award, Valdivia Filmfestival (Chile), 2012
Ingmar Bergman Debut Award, Filmfest Gotenburg (Schweden), 2013
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