Gangsterläufer
Deutschland | 2011 | Dokumentarfilm | 90 min
Ein Messer in der Tasche, Adrenalin im Blut und einen Traum im Kopf: Gangster sein, und zwar der größte überhaupt. Yehya war 15 und nah dran an seinem Traum, als der Filmemacher Christian Stahl ihn im Treppenhaus kennen lernte. Yehya war nicht nur der nette Nachbarsjunge, sondern auch „Boss von der Sonnenallee“ – einer der Gangsterläufer von Berlin-Neukölln. Und Gangsterläufer wollen Gangsterkarrieren machen. In den Augen der Behörden ein „Intensivstraftäter“, in seinen eigenen „einer der ersten 10 von Neukölln. Ich hab `nen eigenen Staatsanwalt!“.
Yehya, Sohn palästinensischer Flüchtlinge aus dem Libanon, Rütli-Schüler mit lauter Einsen – und Häftling. Mit 17 wird Yehya nach einem Raubüberfall zu 3 Jahren ohne Bewährung verurteilt.
Der Regisseur Christian Stahl begleitet Yehya durch die Jahre im Gefängnis und parallel dazu seine Familie in Neukölln. Der Zuschauer ist dabei, wenn Yehyas Welt- und Gangsterbild wackelt, er in der Knasthierarchie schnell wieder aufsteigt, sich dem Islam zuwendet und im Knast plötzlich selbst zum Opfer wird.
Sein Vater versucht mit einer Mekka-Pilgerfahrt, die Familienprobleme zu lösen, Yehyas Brüder treten in seine Fußstapfen, der Staat will Yehya abschieben oder zurückschicken ins Flüchtlingslager nach Beirut. Seine Eltern, die als Flüchtlinge in Deutschland 14 Jahre lang nicht arbeiten durften und in ihrer Welt blieben, verzweifeln.
Gangsterläufer zeichnet das eindrückliche Porträt eines „Intensivstraftäters“, dessen Charme, kriminelle Energie und Reflektionsvermögen verblüffen und schockieren. Zwischen muslimischer Tradition und Gangsterträumen, Macho-Image und Moschee, dem allgegenwärtigen Krieg in der fremden Heimat der Eltern und dem Überleben in Europa. Der Film nimmt den Zuschauer mit in die Welt, um die die Integrationsdebatte kreist, ohne sich auf diese Welt einzulassen.
Gangsterläufer geht nah – und zeigt, was es auch heißen kann, der Beste zu sein zu wollen.
Regie: Christian Stahl
Buch: Christian Stahl
Kamera: Ralf Ilgenfritz
Schnitt: Johannes Fritsche, Gines Olivares
Musik: Tilmann Dehnhard
Ton: Matthias Kreitschmann
Redaktion: Søren Schumann, rbb/ARTE; Burkhard Althoff, ZDF Das kleine Fernsehspiel; Manuela Jödicke, rbb
Produktion: Gunter Hanfgarn, Andrea Ufer
Sender: rbb/ARTE, ZDF Das kleine Fernsehspiel
Förderer: FFA
Max-Ophüls-Preis, Filmfestival Saarbrücken, 2011
New Berlin Film Award, Achtung Berlin, 2011
Semaine de la critique, Filmfestival Locarno (Schweiz), 2011
Doclisboa, Lissabon (Portugal), 2011
PRIX EUROPA, Lobende Erwahnung in der Kategorie IRIS, 2011
Festival des Deutschen Films, Paris (Frankreich), 2011
Göteborg International Film Festival (Schweden), 2012
Bester Dokumentarfilm, Internationales Filmwochenende Würzburg, 2012
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