Städte in Angst
Schweiz/Deutschland | 2011 | Dokumentarfilm | 60 min
Rote, grüne und gelbe Punkte in einem Stadtplan von Berlin auf einem Computer-Bildschirm. Die Punkte sind Taxis unterwegs in der Stadt, der Rechner der Daten aufzeichnet, steht in Berlin-Adlershof. Was erinnern wir von der WM in Deutschland? Ein Sommermärchen? Dass es dies war, hatte sehr viel damit zu tun, dass im Vorfeld und während des Ereignisses – quasi unsichtbar – eine zweite Wirklichkeit existierte, basierend auf einem Verkehrs- und Sicherheitskonzept aus Adlershof.
Martin Heinrich Ruhé forscht am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) über die „nachhaltige Entwicklung der Megastädte von morgen“. Arbeitsschwerpunkte sind zukunftweisende Ansätze in der Verkehrsplanung und die Entwicklung von Verkehrssteuerungszentralen nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ein Flug mit einem Polizeihubschrauber der Verkehrsüberwachung über Autobahnen und Schienenstränge, Menschen in Einkaufsstraßen und auf Plätzen. Ob Weltmeisterschaft, Marathonlauf oder Straßenfest, aus einem Helikopter oder vom Satelliten aus betrachtet, sind das Bewegungsströme, die berechnet werden können. Wenn das System diese Ströme erkennen und ihre Entwicklung „vorhersagen“ kann, was kann es noch? Lassen sich unsere Wege durch die Stadt, unser Verhalten vorherbestimmen?
Berlin wurde architektonisch innerhalb kürzester Zeit wieder zur Hauptstadt, mit einem funktionierenden Regierungsviertel und mit den Problemen einer internationalen Metropole. Denn ebenso schnell musste sich die Stadt, was die Ebene der Sicherheit betrifft, dem internationalen Standard anpassen. Menschen auf dem Potsdamer Platz, dem Marlene-Dietrich-Platz, in den Einkaufspassagen. Nicht nur in der Verkehrsleitzentrale der Polizei werden Straßen und Plätze „monitorgesehen“. Gerade jetzt stellt sich die Frage: wie viel Sicherheit brauche ich und wie viel Freiheit bin ich bereit dafür zu geben? Beruhigen die Bundespolizisten mit ihren Maschinenpistolen im Hauptbahnhof wirklich? Oder machen sie uns die Gefahr erst bewusst?
Die Forscher im DLR sagen: Sicherheit wird heute anders gemacht. Menschen- und Warenströme hinterlassen elektronische Spuren. Die heutigen Smartphones sind schon jetzt ausgelagerte Sinnesorgane mit weit mehr Kapazitäten als simplen Navi- und Ortungsfunktionen. Auf Wunsch gibt es bereits heute gezielte Werbebotschaften für technikfixierte Flaneure. Wer die Funktionen abschaltet, macht sich möglicherweise in wenigen Jahren verdächtig.
Die Forscher am DLR sind sich der Verantwortung ihrer Arbeit bewusst, doch gleichzeitig steigt das Sicherheitsbedürfnis der Menschen in den Städten. Sicher ist: Wenn sich reale und digitale Ströme verbinden, wird etwas sichtbar, was wir im Alltag so nicht wahrnehmen. Der Film zeigt die sich verändernden Facetten des Lebens in der Stadt beispielhaft an Berlin, London, Paris und Zürich. Für den Zuschauer wird regelrecht spürbar, warum wir vieles „übersehen“ und wann wir uns sicher fühlen, ohne darüber nachzudenken. Sinnlich erfahrbar wird so auch die zerbrechliche Balance zwischen unserem Bedürfnis nach Sicherheit und dem Wunsch nach Freiheit.
Regie: Dagmar Brendecke, Walter Brun
Kamera: Claus Judeich et al
Ton: Gerd Ehemann et al
Redaktion: SF (Schweiz) und rbb (Deutschland)
Produktionsleitung: Anna Fanzun, Gunter Hanfgarn
Produktion: Container TV, Bern (Jürg Neuenschwander)
Koproduktion: Hanfgarn & Ufer
Förderer: Berner Filmförderung
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